Professor Franz von Rziha

* 28. März 1831 in Hainspach in Böhmen; † 22. Juni 1897 in Maria Schutz (Niederösterreich)

Eisenbahn- und Tunnelbauer

DER BAUMEISTER FRANZ v. RZIHAUND SEINE IMPOSANTEN EISENBAHNBAUTEN IM LEINETAL

Durch den Bau der Eisenbahnstrecke Kreiensen – Holzminden wurde das Landschaftsbild im Leinetal wesentlich und nachhaltig verändert und wird bis heute von den Bauten des genialen österreichisch-böhmischen Eisenbahningenieurs Franz v.Rziha geprägt.

 

In den Jahren 1861 bis 1865 entstanden die markanten Bauwerke:

Flutbrücke in der Gemarkung Billerbeck

Leinebrücke in den Gemarkungen Ippensen / Billerbeck

Tunnel in der Gemarkung Ippensen

Luhe-Viadukt in der Gemarkung Greene

Tunnel im Bereich Bruchhof – Naensen.


Aus der so genannten Baubaracke des Ingenieurs Rziha entwickelte sich später die Greener Burggaststätte.

Bildnis des Ingenieurs Franz v. Rziha.
Bildnis des Ingenieurs Franz v. Rziha.

Bildnis des Ingenieurs Franz v. Rziha. In dieser Zeit verlief im hiesigen Bereich die Staatsgrenze zwischen dem Königreich Hannover und dem Herzogtum Braunschweig. Der braunschweigische Staat hatte bereits 1856 die Strecke Wolfenbüttel/Börßum – Kreiensen fertiggestellt, die an die gleichzeitig erbaute Hannoversche Südbahn anschloss. Bald danach wollten die Braunschweiger auch eine Bahnverbindung von Kreiensen zur westlichsten Stadt ihres Staatsgebietes, nach Holzminden errichten, um dort Anschluss an das rheinisch-westfälische Industriegebiet zu bekommen. Die einfachste und kostengünstigste Streckenführung wäre über Einbeck durch hannoversches Staatsgebiet gewesen. Die königlich-hannoversche Regierung verlangte aber, dass die Holzmindener Bahn nur über braunschweigisches Gebiet geführt werden dürfe. Die Braunschweiger entschlossen sich, die Bahnlinie im Bereich des braunschweigischen Kreises Gandersheim, „über die Greener Berge“ weiterzuführen.

 

Für dieses äußerst schwierige Unternehmen konnte die Braunschweigische Staatsbahn den Eisenbahn-Bauingenieur und Tunnelbauer Franz Rziha gewinnen.

Das Teilstück Kreiensen – Naensen war der schwierigste Teil der Linie Kreiensen-Holzminden. Auf einer Strecke von neun Kilometern durch bergiges Gelände musste eine Steigung von 110 Metern überwunden werden. Das war selbst für den genialen Baumeister Rziha eine große Herausforderung.

 

Zunächst galt es, die Südbahnstrecke nach Göttingen zu überwinden, dann musste ein verbindender Damm aufgeschüttet werden. Um Anschluss an den Knollenberg zu bekommen – durch den der Ippenser Tunnel gebaut wurde –, musste das Leinetal mit zwei Brücken überquert werden: mit einer Flutbrücke mit acht Bogen über die Leineaue und mit einer Brücke über den Leinefluss mit zwei großen und zwei kleinen Bogen.

Die 8-Bogen Eisenbahnbrücke in der Gemarkung Billerbeck
Die 8-Bogen Eisenbahnbrücke in der Gemarkung Billerbeck

Die Leinebrücke wurde erst gebaut und dann der Fluss unter ihr durchgeleitet. Beide Brücken aus heimischem rotem Sandstein, der aus dem nahen Steinbruch am Brunstein gewonnen wurde, fügen sich harmonisch in das Landschaftsbild ein. Im Zuge dieser Bauwerke wurde danach die Straßenverbindung Greene-Ippensen gebaut. Bis dahin führte die Wegstrecke Richtung Einbeck über die Höhe am Clusbusch nach Garlebsen.

 

 

Billerbecker/ Ippenser Eisenbahn- und Leinebrücke.
Billerbecker/ Ippenser Eisenbahn- und Leinebrücke.

Im weiteren Verlauf der Bahnstrecke folgt dann der Ippenser Tunnel.

 

Er führt im Bogen auf 205 Metern Länge durch den Knollenberg. Rziha wendete beim Tunnelbau der Holzmindener Strecke erstmalig das von ihm konzipierte Tunnelbausystem mit der Einschalung in Eisen an, statt der bis dahin üblichen Holzauszimmerung der Stollen und Schächte. Dieses von ihm entwickelte Tunnelbaukonzept wurde hier zum ersten Mal erfolgreich angewendet und machte ihn weltweit bekannt und berühmt. Damals wurde seine Tunnelbaukunst als Lehrfach an den technischen Hochschulen eingeführt.

 

Dokumentation des Tunnelbausystems in Eiseneinschalung
Dokumentation des Tunnelbausystems in Eiseneinschalung

Die faszinierende Steinbaukunst des 19. Jahrhunderts und die Genialität des Erbauers Franz Rziha dokumentieren sich in dem grandiosen Bauwerk, das im Zuge der Eisenbahnlinie Kreiensen – Holzminden errichtet wurde: dem Greener Viadukt über das Luhetal.

 

31 Meter hoch überspannt der Baukörper das Luhetal und die Bundesstraße 64 auf einer Länge von 97 Metern. Ursprünglich zweigleisig ausgebaut, wird der hiesige Bereich seit 1991 nur noch eingleisig betrieben und dient gegenwärtig vorwiegend dem Personennahverkehr.

 

Greener Luhe-Viadukt. Aufnahme von 1895. Stadtarchiv Holzminden
Greener Luhe-Viadukt. Aufnahme von 1895. Stadtarchiv Holzminden

Der Quaderbau aus Selter-Dolomitstein besteht aus acht gleichgroßen Halbkreisgewölben. Um Baumaterial einzusparen, sind die Brückenpfeiler mit geschlossenen hochformatigen Hohlräumen und Rundbogengewölben ausgeführt. Der felsige Untergrund erforderte unterschiedliche Gründungstiefen, sodass die sieben im Grundriss rechteckigen und mehrfach abgestuften Pfeiler verschiedene Längen besitzen. Den oberen Abschluss bildet ein kräftiger Rundbogenfries mit Konsolen in den Pfeilerachsen. Zur Fahrbahnbegrenzung diente ursprünglich eine massive Brüstung.

 

Über Einzelheiten und Verlauf der Bauarbeiten berichtet die „Zeitschrift für Bauhandwerker“ in der Ausgabe Nr. 9/1866:

Dokumentation der Brückenpfeiler mit der Darstellung der späteren Anschüttun
Dokumentation der Brückenpfeiler mit der Darstellung der späteren Anschüttun

Vom Greener Viadukt geht es noch etwa zwei Kilometer bergauf bis zur Einfahrt in den Naenser Tunnel. Der Tunnel ist 885 Meter lang und führt in gerader Linie durch den Berg. Rziha setzte hier ebenfalls das neue eiserne Tunnelbausystem ein. Die Arbeiten erwiesen sich als schwierig, weil aus Keupermergelschichten Wasser eindrang, sodass eine Pumpe installiert werden musste, die von einer Dampfmaschine betrieben wurde. Im Mittelabschnitt des Tunnels wurden die anfallenden Gesteinsmassen in drei Schächten mit Fördermaschinen hochgezogen. Der längste Schacht verlief 42 Meter tief durch den Berg.

Wenn man den Naenser Tunnel in westlicher Richtung durchfahren hat, lässt man den romantischen Streckenabschnitt „durch die Greener Berge“ hinter sich und fährt durch die weite, sanft hügelige Landschaft am Fuße der Gebirgszüge Hils und Elfas dem Ziel Holzminden an der Weser entgegen.

Rziha trat 1866 in den Staatsdienst des Herzogtums Braunschweig ein, baute mehrere Bahnstrecken und verwaltete die fiskalischen Braunkohlengruben. 1870-1874 baute er in Sachsen und Böhmen weitere Eisenbahnlinien und wurde 1874 ins österreichische Handelsministerium berufen. Ab 1878 lehrte Rziha an der Technischen Hochschule in Wien als Professor für Eisenbahn- und Tunnelbau.

1883 wurde er als Ritter Franz von Rziha in den Adelsstand erhoben.

Er starb 1897 in Maria Schutz, Niederösterreich.

 

Zum Schluss sei noch auf ein persönliches Dokument in dem Chronikbeitrag von „Greene · Geschichte und Geschichten – eine Spurensuche“, Verlag Mitzkat, Holzminden, 2023, verwiesen Es ist der Tagebucheintrag der 20-jährigen Marie Luise Beckmann, geboren am 28. Oktober 1845. Sie schildert ihre Jugendjahre im Flecken Greene. Am 30. Oktober 1865 fuhr sie zu Bekannten nach Münster in Westfalen. Sie benutzt den Zug auf der neu eingerichteten Eisenbahnstrecke Kreiensen-Holzminden, und es dürfte der erste authentische Bericht einer Eisenbahnfahrt auf dieser Strecke sein, die erst am 10. Oktober 1865 eröffnet worden war und aus dem nachstehend zitiert wird:


„Schon seit mehreren Monaten hegte ich Hoffnung, bald wieder einmal nach Münster zu kommen, um dort in Ruhe und Gemütlichkeit einige Wochen verleben zu können; ich freute mich recht darauf, als aber endlich der Tag meiner Abreise herangekommen war, wurde mir doch der Abschied von Greene schwerer als ich gedacht hatte; war doch die Zeit, die ich dort verlebte mit die glücklichste meines Lebens zu nennen. Doch ich reiste ab; bald schnaubte der Zug durch den ersten Tunnel; schauriges Dunkel umfing uns. Ich sah mehrere Male durch das geöffnete Waggon-Fenster den niedergeschlagenen Dampf der Lokomotive sich wie weiße Ungetüme der verschiedensten Gestalt am Boden wälzen. Doch herrschte hierbei keineswegs eine unheimliche Stille, sondern ganz das Gegenteil. Mütter baten, „Gott möge sie glücklich hindurchführen“, Kinder schrien und junge Leute quiekten. Doch es war nur ein ‚Nu‘. Noch einmal winkte ich Greene und meinen kleinen Cousins, welche mich zur Bahn begleitet hatten, im Scheiden meinen Gruß zu.“

 

Archiv: Heimatverein Greene